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„Über das Sammeln”

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Erde, - Wasser, - Feuer, - diese Elemente begleiten Menschen seit Jahrtausenden. Ton trägt die Energie und Fantasie menschlicher Erfahrungen und Gedanken, er beflügelt viele Künstler zu immer neuen, außergewöhnlichen Stücken.

Es entspricht einem zutiefst menschlichen Bedürfnis: Durch Zusammentragen möglichst vieler gleichartiger Gegenstände ein vertiefteres Wissen um bestimmte Zusammenhänge zu erwerben oder ästhetische Vorstellungen zu erfüllen, oder von einem definierten Gebiet möglichst vieles zu kennen oder gar zu besitzen, kann zu einem nie erlöschenden Trieb werden, das ganze Leben beeinflussen.

An dieser Stelle ein kurzer allgemeiner Blick auf die zeitgenössische keramische Szene:

Nach dem 2. Weltkrieg – um hier anzusetzen – gab es die Töpfer, die Geschirre für den alltäglichen Gebrauch herstellten, und die einen großen Bedarf decken mussten, denn es herrschte Mangel an allem. Sie schufen einfache, zweckmäßige Formen ohne irgendeinen weitergehenden künstlerischen Anspruch.

Später, Anfang der 60er Jahre entwickelte sich, aus England kommend, die sogenannte „Studio-Töpferei“, die von Bernhard Leach und Soji Hamada angestoßen wurde. Sie bedeutete eine Loslösung von der reinen Benutzbarkeit der Stücke und eine stärkere Hinwendung zu freieren, plastischen Formen. Diese Bewegung wurde von vielen künstlerisch ambitionierten Keramikern mit großer Begeisterung aufgegriffen und fortgeführt. Es entwickelte sich eine Trennung in Töpfer, die weiterhin ihre Geschirre anfertigten und in Keramiker, die zunehmend neue, künstlerische Ausdrucksformen entwickelten, allerdings auch mit vielen Mischformen. Nur wenige, herausragende Keramiker konnten es sich leisten, ihre Geschirrproduktion ganz zu verlassen und auf Unikatkeramik umzusteigen und davon zu leben. Beim Publikum, bei den Käufern, wurde diese Entwicklung ebenfalls begeistert aufgenommen, und die Keramik erlebte bis weit in die 80er Jahre einen wahrhaften Boom. Es gab zahlreiche Keramikerpersönlichkeiten, die ihren eigenen, unverwechselbaren Stil entwickelten, welche der Kenner auf einen Blick identifizieren und zuordnen kann, so wie man einen Cezanne oder Chagall auf den ersten Blick erkennt.

Es gibt noch eine dritte Gruppe von Künstlern, die sich der Keramik als einem von mehreren künstlerischen Ausdrucksmitteln bedienen, ohne sich als Keramiker zu sehen. Dies waren in der Vergangenheit so herausragende Künstler wie Picasso, Miro oder Tapies, um nur einige bekannte Namen zu nennen, aber auch Emil Schumacher, Otto Piene, Tony Cragg oder Walter Libuda. Für diese Künstler ist Keramik ein Medium unter anderen mit dem sie ihre Kunstwerke schaffen.

Dies also ist die Szene, die sich dem Sammler zeitgenössischer Keramik darbietet, und sie ist wahrhaft spannend. Sich zurechtzufinden setzt eine genaue Kenntnis der keramischen Szene, aber auch der zeitgenössischen Kunst ganz allgemein, voraus.

In meinem Fall, ich sammle seit etwa 25 Jahren Keramik, sah das so aus: Ich hatte Anfang der 90er Jahre begonnen, selbst mit Ton zu arbeiten, mich umgetan, Märkte, Ausstellungen und Ateliers besucht, und mit immer größer werdenden Augen wahrgenommen, welch unglaubliche Vielfalt, welche Möglichkeiten in diesem Material stecken.

Nun sammelt jeder Sammler anders, abhängig von Vorlieben, Vorkenntnissen und Vorgaben räumlicher, familiärer und auch finanzieller Art. Alles was mir gefiel, was mich reizte zu erwerben, würde in kürzester Zeit in Chaos und Konkurs enden, meine sämtlichen Möglichkeiten sprengen. Ich beschloss also, nur ganz aktuelle „frische“ Keramik zu erwerben, zeitgenössisch eben. Dann kamen die Vorlieben: eher figürlich und Objekt betont als reine Gefäße, eher elegant vom Material her, wie Porzellan und Feinsteinzeug, als grob schamottierter Ton mit langen Holzbränden. Auf jeden Fall aber original und originell in der Idee und meisterlich in der Ausführung. Also innovative zeitgenössische Keramik auf höchstem Niveau.

Das Ergebnis dieses folgenschweren Tuns führte zu einer Sammlung von etwa 1200 ausgesuchten Stücken von mehr als 400 Keramikkünstlern aus der ganzen Welt. Die meisten konnte ich persönlich kennenlernen, mit vielen verbindet mich inzwischen eine jahrelange Freundschaft. Man trifft sich zu Kongressen weltweit, aber auch in Deutschland, bei Workshops und Symposien, in Galerien und Museen. Und jedes Mal findet man die herrlichsten Stücke!

So wird es wohl auch für meine Sammlung immer wieder das eine, nächste, absolut unverzichtbare Stück geben.

Hannelore Seiffert, Dezember 2020


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Hannelore Seiffert ist Keramikerin und Keramiksammlerin seit etwa 25 Jahren.
Seit 2007 ist sie Mitglied des AIC/IAC als eine von 9 Sammlern weltweit.